Föderalistische Vielfalt
Die Grundidee des Gesetzgebers besteht darin, via Besteuerung des so genannten Eigenmieters die steuerliche Besserstellung von Wohneigentümern gegenüber Mietern teilweise zu kompensieren. Die Besserstellung kommt durch die Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen zustande, denn wer in der Schweiz in den eigenen vier Wänden wohnt, kann die Hypothekarzinsen steuerlich geltend machen, das heisst vom steuerbaren Einkommen abziehen. Maximal abzugsfähig sind Schuldzinsen in Höhe der steuerbaren Vermögenserträge zuzüglich eines Freibetrages von 50 000 Franken. Nicht abzugsfähig sind Amortisationszahlungen sowie Leasingraten.
Für durchschnittliche Eigentümer stellt die Beschränkung der abzugsfähigen Schuldzinsen kaum ein Problem dar. Für Besitzer von Eigentum im höheren Preissegment, die allenfalls auch noch im Besitz einer Ferienwohnung sind, kann die beschränkte Abzugsfähigkeit jedoch steuerlich nachteilig sein. Muss doch nicht nur der Eigenmietwert für die Erstwohnung, sondern auch für eine allfällige Zweit- oder Ferienwohnung versteuert werden. Dem Mieter stehen dagegen keine steuerlichen Abzugsmöglichkeiten der Wohnkosten zur Verfügung. Diese relative steuerliche Benachteiligung der Mieter wird im bestehenden System mittels des besagten Eigenmietwertes aufgefangen.
Der Eigenmietwert sollte ungefähr dem Mietertrag entsprechen, den der Eigentümer erzielen können, würde er sein Haus vermieten. Der Eigenmietwert wird also steuerlich als hypothetisches Einkommen definiert. Auch wenn es sich dabei um ein fiktives und tatsächlich gar nicht erzieltes Einkommen handelt, muss der Wohneigentümer dieses versteuern. Dadurch reduziert sich ein Steuervorteil infolge des Schuldzinsabzuges.
Eine gerechte Festsetzung der Eigenmietwerte – vor allem derjenigen von Einfamilienhäusern ist in der Praxis sehr schwierig, da auf Grund mangelnder Vergleichsmöglichkeiten ein einigermassen realistischer Mieterlös kaum zu definieren ist. In den 26 schweizerischen Kantonen kommen sehr unterschiedliche Verfahren zur Ermittlung der Eigenmietwerte zum Zug, welche automatisch Verzerrungen nach sich zieht. Allein die Vielfalt der angewandten Methoden führt schweizweit zu einer unterschiedlichen Behandlung der Wohneigentümer.
Verschärft wird diese dadurch, dass die Kantone in der Praxis die Eigenmietwerte in unterschiedlichem Ausmass unter der Marktmiete ansetzen. Dies tun sie insbesondere, um dem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Förderung des Wohneigentums Nachachtung zu verschaffen, aber auch im Hinblick auf ein gutes Steuerklima. So beträgt die Höhe des Eigenmietwerts im Kanton Luzern aktuell 70 Prozent, im Kanton Glarus dagegen bloss 60 Prozent der tatsächlichen Marktmiete. Der Kanton Basel-Landschaft setzte den Wert noch tiefer an, musste diesen aufgrund eines bundesgerichtlichen Entscheides aber ebenfalls auf 60 Prozent anheben, was nach aktueller Rechtsprechung dem Minimalwert entspricht.
Für Eigentumswohnungen haben wir die Eigenmietwerte geschätzt. Dabei wird unterstellt, die Wohnung umfasst 110 m2 Wohnfläche und sei zu 50% fremdfinanziert. Die Konsequenzen für das steuerbare Einkommen des Eigentümers sind beachtlich. Werden der Eigenmietwert und die Abzugsmöglichkeiten der Hypothekarschulden berücksichtigt, ergibt das für einen Eigentümer in Zürich ein um 3945 Franken und in Zug ein um 2380 Franken tieferes zu versteuerndes Einkommen, während der Eigentümer in Stans sogar einen Anstieg seines steuerbaren Einkommens um 4120 Franken in Kauf nehmen muss. Bei einem Grenzsteuersatz von 25 % kann ein Eigentümer in Zürich gegenüber einem Eigentümer in Stans aktuell durchschnittlich 2016 Franken einsparen.
Das komplexe System des Eigenmietwertes und dessen steuerliche Auswirkung hat auch in den letzten Jahren zu zahlreichen politischen Diskussionen geführt. Grundsätzlich ist eine generelle Abschaffung des Eigenmietwerts bei gleichzeitigem Verzicht auf die Abzugsmöglichkeit der Hypothekarzinszahlungen wenig problematisch. Fragen wirft jedoch der in der Verfassung stehende Auftrag zur Eigentumsförderung auf. In welchem Rahmen und insbesondere in welcher Höhe dies geschehen soll, ist politisch umstritten und dürfte noch zu zahlreichen Diskussionen führen.